MANIFEST für OFFENHEIT

 

Ein Phantom geht um in Europa – das Phantom der Flüchtlingskrise. Schon das Wort “Krise” suggeriert eine akute Bedrohungslage. Aber für die meisten Bewohner Mitteleuropas existiert die Bedrohung nur als Phänomen in ihren Köpfen, in den Medien und Stammtischdebatten. Kaum ein Bewohner Mitteleuropas hat bisher unter der sogenannten Krise wirklich gelitten oder deshalb lebensbedroh- liche Einschnitte gehabt. Aber in den Köpfen der Menschen nisten sich rationale Befürchtungen und irrationale Ängste ein, die sich schmerzhaft in die relativ unberührte Existenz hineinfressen. Dabei ist die Flüchtlingskrise real existent – in Idomeni, auf Kos, auf den Schlauchbooten in der östlichen Ägäis, an den süditalienischen und spanischen Küsten. Auch in den Auffanglagern und Erstaufnahme-einrichtungen von Südschleswig bis zur Niederlausitz. Und im Leben von Menschen, die den Hass, die Bomben, die Exekutionen, die Tode von Freunden und Familie nicht verdient haben. Menschen auf der Flucht – Opfer von Stellvertreterkriegen, ökonomischer Ungerechtigkeit, Hungersnöten und politischer Willkür – sie werden bereits von allen europäischen Staaten als eine Macht verstanden. Und um gegen diese Macht anzugehen, haben konser- vative Politiker, neokonservative Parteien und Bewegungen, angeb- liche intellektuelle “Querdenker” und Internet-Kommentatoren merkwürdige Allianzen gebildet, um eine Atmos- phäre der Bedrohung zu inszenieren. Angst zu haben ist normal. Aber mit Ängsten Diskriminierung und Rassismus zu schüren ist antidemokratisch und inhuman. Deshalb ist es wichtig, miteinander zu sprechen und in all der Aufregung wieder den Boden der Tatsachen zu betreten. Denn die Bedrohung durch Nationalismus ist sehr real, wie 1.000 Übergriffe gegen Flüchtlingsunter-künfte im Jahr 2015 zeigen. Es ist   Zeit, dass wir dem Phantom der Flüchtlingskrise unsere Position für Weltoffenheit und Toleranz entgegen-stellen. Zu diesem Zweck haben sich Menschen der verschiedensten Nationalitäten in Hamburg-Altona versammelt und das folgende Manifest initiiert. Es wird im Internet, auf Lesungen, in Reden aus Fenstern und von Balkonen, vertont als Sprech-gesang und rezitiert als Theatermonolog veröffentlicht. Wir –  ein Team aus MitarbeiterInnen von Altona Macht Auf! – haben dieses Manifest jedoch nur initiiert. Wir haben diese einleitenden Zeilen verfasst und werden auch weiterhin dazu beitragen. Doch dieses Manifest soll nicht von einer Person oder einer Gruppierung verfasst werden, sondern von den Menschen, die hier leben:   Von einem ganzen Stadtteil in einem kollektiven Prozess. Das Team von Altona Macht Auf! sammelt Interviews, Gespräche, Monologe und steuert eigene Texte bei. Ein Aufruf soll entstehen, der nicht schon fertig an die Öffentlichkeit tritt, sondern sich  jede Woche fort schreibt. Wichtig ist uns dabei auch die Vision, der Blick nach vorne: Wie sieht die Welt aus, in der wir leben wollen? Wie ist unser Traum von einer eigenen Zukunft? Was macht den Ort aus, von dem wir träumen? ”Altona Ruft Auf! – Das Manifest für Offenheit” besteht aus einzelnen Punkten, die kurze Statements oder Interview-Passagen sein können, auch längere Erzähl- ungen oder Einlassungen auf einzelne Fragen. Neben statistischem Material stehen persönliche Erinnerungen, neben Zitaten aus Zeitungen literarische Texte. Weitere Beiträge sind noch im April geplant. Bis zu den Stadtteil-Spaziergängen von Altona Macht Auf! im Juli 2016 soll das Manifest in einer vorläufigen Fassung vorliegen.

Altona, 19.4.2016

Wie einer nach Deutschland kommt.

Ich möchte dich etwas fragen. Ich möchte die Menschen hier verstehen.Sie sagen, wir kommen hierher wegen der Arbeit. Aber ich hatte einen guten Job in Afghanistan. Warum haben Menschen aus Afghanistan keine Rechte in Deutschland? Warum werden wir anders behandelt als andere Flüchtlinge? Wir haben hier Freiheit. Aber nur Essen und Schlafen, das ist nicht genug.

Warum ich nach Deutschland gekommen bin? Warum ich meine Familie verlassen habe?

Ich saß hinten in einem Taxi und war gerade auf dem Weg nach Hause. Der Fahrer fuhr aber zu schnell und dann gab es einen Unfall. Dabei wurde ein Mann überfahren, der bei den Taliban war. Als ich zu Hause erzählte, was geschehen war, sagte mein Vater, dass ich sofort das Land verlassen müsste. Ich fragte: Wie kann ich meine Familie verlassen? Wie kann ich euch jetzt verlassen? Mein Vater hat gesagt: Das, was sie deinem Cousin angetan haben… So werden die Taliban dich auch behandeln. Aber ich bin dein Vater und ich sage, dass die Taliban kein Kind unserer Familie töten werden. Du musst jetzt gehen, ansonsten werden sie dich töten. Du musst Afghanistan und uns verlassen. Ich habe geweint, weil ich mein ganzes Leben noch nie alleine gewesen bin. Niemals ohne meine Mutter. Und plötzlich musste ich weg. Weil mein Taxifahrer einen Unfall gebaut hat. Aber was sollte ich denn tun? Wäre ich geblieben, dann wäre nicht nur mein Leben gefährdet gewesen, auch das meiner ganzen Familie. Ich mußte in den Iran. Über Pakistan. Mit 70 Menschen, stehend, in einem kleinen Lastwagen. Es war die Hölle. Ich habe gedacht, ich verliere meine Beine. Ich wollte eigentlich nie nach Europa. Ich wollte eigentlich zu Hause bleiben, aber was sollte ich denn tun? Und dann, als ich im Iran war, habe ich in den Nachrichten gesehen, dass die Kanzlerin Merkel im Fernsehen gesagt hat, dass Geflüchtete kommen können…

Ausschnitte aus einem Gespräch mit einem jungen Afghanen aus dem Erstaufnahmelager Kieler Straße. Die Gruppe Geflüchteter tritt im Rahmen von Altona Macht Auf! am 8. und 13. Juli unter dem Titel „Unknown Passengers“ in der Schomburgstraße 110 auf.

„Wir dürfen nicht vergessen werden“

Gespräch mit einer Frau, ca. 36 Jahre, Große Bergstraße, 4.6.2016

Wir sind vergessen. Wir sind geflüchtet, aber niemand will das wissen. Die Gesellschaft will es nicht wissen, selbst meine Familie will es nicht wissen.

Meine Familie ist vor dem Bürgerkrieg von Laos nach Kambodscha geflohen und später nach Vietnam und dann mit dem Boot nach Thailand, dabei ist meine halbe Familie gestorben. Aber was weiß man davon? Gibt es ein Wissen von den ganzen Toten?

Man weiß es ja nicht mal, ob sie tot sind. Kann sein, dass manche leben. Aber wo? Manche sind nach Indonesien gekommen oder Australien. Vielleicht sogar in Deutschland oder hier in Altona, um die Ecke, aber man hat sie nie gesehen.

Wir sind nur zufällig nach Deutschland gekommen. Als wir in Thailand waren, im Flüchtlingslager, sollten wir auf ein Schiff nach Australien, aber dann war das Schiff voll und sie haben gesagt, wir nehmen keinen mehr auf, und später wir sind auf ein Schiff nach Deutschland.

Es ist wichtig, darüber zu reden.

Wir reden in der Familie nicht darüber, und die Gesellschaft will von unserer Flucht nichts wissen. Das hat unsere Familie kaputt gemacht.

Wir sind geflüchtet, wir dürfen nicht vergessen werden.

Mit Betonung auf dem „Wir“

Stoni aus der Struenseestraße, der seit 2013 bei Altona Macht Auf! mitmacht (und dabei meist die Zuschauer zum mitmachen animiert) schrieb uns per e-mail:

„Wir erleben seltsame Dinge in unserem Land. Dort, wo wir zuhause sind. Viele Leute kommen ihres eigenen Zuhauses beraubt zu uns. Das ist eine Chance für uns, unser großes Herz zu zeigen, unser Zuhause neu zu erschaffen als Hort der Wärme, Liebe und Mitmenschlichkeit. In diesem Moment tauchen Menschen auf, die diese Situation nicht als Chance sehen. Leute, die ihr Zuhause lieber als Ort von Konkurrenz, Missgunst, Misstrauen gestalten.

Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden Sichtweisen? Nun, im ersten Fall handelt es sich um ein gemeinsames Zuhause für viele Menschen, im zweiten Fall leben viele Menschen nebeneinander her, voneinander abgegrenzt.

Traditionell sind wir in Altona mit solchen Fragen konfrontiert. Durch den Hafen ist unser Zuhause seit dem Mittelalter immer Reise- und Zuzugsziel vieler Menschen. Während Hamburg die vielen Menschen auch mal als Bedrohung wahrgenommen hat, war die Altonaer Offenheit für die Gäste aus aller Welt der Grund dafür, dass sich vor den Toren der Hansestadt eine weitere Stadt etablieren konnte. Zugespitzt ließe sich vielleicht sagen, dass Altona eine Flüchtlingssiedlung sei.

Das heißt doch, dass Altona existiert, weil es immer genug Leute gab, die „Wir bleiben hier“ gerufen haben. Heute ist es für uns alle wichtig, dass wir wieder laut „Wir bleiben hier“ rufen. Mit der Betonung auf dem „Wir“. Denn wenn das nicht immer wieder passiert wäre, gäbe es unser Zuhause vielleicht gar nicht. Denkt dran: Das Tor im Altonaer Stadtwappen ist offen.“

 

„Der Ort, wo man gar nicht herkommt“
Aus einem Gespräch mit Christian Diener, Anfang Dreißig, Künstler“

Die Frage ist, wie kommt jemand hier her und warum. Deshalb find‘ ich es sehr schwer, eine allgemeingültige Antwort zu finden. So etwas gibt es nicht. Meine Mutter ist geflohen und ihre Mutter auch. Vor den Russen. Meine Mutter kommt aus der Tschechoslowakei. Die Russen haben die Tschechoslowakei besetzt und da waren überall Soldaten und da hat meine Oma ihre Kinder unterm Arm gepackt und ist hierhin geflohen. Und dann sich selbst ein Ziel gesetzt und auch entschieden – es muss das Saarland sein. Und die Effekte waren dann so…. Man hinterlässt dann Familie, Heimat, Kindheit. Die Menschen, die man kennt, die Sprache. Und das lässt man einfach zurück. Und heute ist man dann so gespalten zu dem Ort, wo man gar nicht herkommt. Man kann einfach nicht mehr zurück. Das ist ganz schwierig.Und dann die Frage, die einen begleitet… Die Frage, was wäre wenn. Wären wir doch da geblieben. Hätten wir das nicht gemacht.Na ja… Und bis heute habe ich es dann auch als sehr wichtig empfunden, dass meine Mutter mir die Mentalität der Tschechoslowakei beigebracht hat. Die Gasfreundschaft. Oder eine gewisse Art an Loyalität Freunden gegenüber. Es geht auch um Identität… Neue Sprache, Muttersprache… Das manifestiert sich in einem. Das ist ganz wichtig. Es ist ganz schwer eine allgemeingültige Antwort zu finden.Aber durch Vergleiche kann man vieles annehmen… Wenn man das Frühere und das Neue vergleicht… Andererseits… Habe ich nicht auch das Recht selbst zu bestimmen, wie man lebt? Kann man anderen Menschen diktieren, wie man zu leben hat? In Sachen kultureller Vorstellungen? Das wäre gegen meine freiheitsliebende Natur.“Große Bergstraße, 11.5.2016, Interview und Transkription von Dan Thy Nguyen

„Wir blieben die Auswärtigen“

Ich will nicht mehr darüber reden, hatte sie gesagt, die Kaffeetasse angesetzt. Über den Krieg nicht, über die Flucht nicht, die Sturmflut nicht, sie wolle über alles nichts mehr wissen. Vieles habe sich damals ereignet, so sie auf meinen Einwand hin, das besser vergessen bliebe. Der Pastor habe in der Tür gestanden, Sie bekommen nichts!, habe er gebrüllt, hat die Tür zugeschlagen, ihr vorher geraten, dorthin zu verschwinden, wo sie hergekommen seien, allesamt.

Wir sind jahrzehntelang die Flüchtlinge geblieben, von uns hat man bis in die sechziger Jahre hinein als von den Flüchtlingen gesprochen, sich selbst haben die Hamburger stets als Einheimische, als Angestammte bezeichnet. Sie waren die Hiesigen, wir blieben die Auswärtigen.

Wo wir wohnten, das hieß: die Siedlung, wo sie wohnten: die alte Elbhalbinsel. Sie, die Ortsansässigen, haben das, wo sie wohnten, ihre Heimat, so sie, gnadenlos verteidigt, so sie zu mir, wie um mich anzuklagen. Die sogenannte Fluthilfe, ein einmaliges Überbrückungsgeld, haben sich die Hamburger untereinander mehrfach ausgezahlt, sie selber habe nichts erhalten, man habe, wie es später zur Entschuldigung hieß, in dem allgemeinen Durcheinander die Siedlung schlichtweg vergessen.

Die Hamburger hätten sich für ihr fortgeschwemmtes Hab und Gut, für die Beschädigungen an den Häusern und Schuppen, für die Wasserschäden, für das ertrunkene und verlorengegangene Vieh, selbst für ersoffene Hühner und Katzen untereinander Unsummen zugeschoben, sie, die Zonenflüchtlinge, hätten nichts erhalten.

Nur des Prinzips wegen sei sie zum Pastor gegangen. Sie hätte schon vorher nicht viel von der Kirche gehalten. Sie habe die Fluthilfe einklagen wollen als ihr Recht, ihr gutes Recht, wie sie glaubte.

Der Pastor hat sie kurz und bündig abgewiesen. Man sei für den Krieg, die Teilung, für den bis jetzt nicht versiegenden Flüchtlingsstrom aufgekommen (aufkommen müssen, so der Pastor), nun sei es genug. Hamburg habe den Hitler nicht gemocht, nun müßten die Hamburger für alles aufkommen, was der Hitler verursacht habe, habe der Pastor gesagt.

Und nun auch noch die Sturmflut. Schon immer hätte die Stadt unter den Überschwemmungen zu leiden gehabt, seit alters her. Man könne nicht verlangen, so er zu ihr, daß die Hamburger für alles aufkommen müßten, nur weil Hamburg als reiche Stadt gelte. Viel Einnahmen, viel Ausgaben, habe der Pastor doziert. Sie habe zum Schluß nur auf die Auszahlung der Fluthilfe bestehen wollen, sie sei gesetzlich, so sie zum Pastor, es sei wirklich eine behördliche Anordnung gewesen, so sie zu mir, der Pastor habe bei dem Wort: gesetzlich hell aufgelacht, sie hinausgeworfen, sie als: Flüchtlingspack tituliert. Genauso sei mit den Rot-Kreuz-Sendungen verfahren worden. Überall hätte sie davon gehört, von den Lebensmittelpaketen, den Kleiderspenden, den Möbeln, die man aus dem Süden heraufgekarrt hatte, bei ihnen sei nichts angekommen, keine Lebensmittel, keine Bekleidung, keine Möbel. Und Möbel waren damals was wert, so sie zu mir. Ihr Mann habe mit den Schultern gezuckt, Reg dich nicht auf, habe er gesagt, was sie noch mehr aufgebracht hat, auch gegen ihn. Die gesamte Bevölkerung hat man umgesetzt, so sie. Alles was das Wasser nicht zerstört habe, hätte man eigenhändig abgetragen. Ihre zweite Heimat hätten sie verloren.

Heimat?, habe ich gefragt. Worauf sie aufgestanden und an ihren Schrank getreten ist. Nach der Flutkatastrophe sei die Umsiedlungskatastrophe gekommen, die Hamburger hätten ihr Land, ihre Grundstücke, ihre Häuser und Schuppen, das ihnen noch eben wegen der Flut entschädigt worden sei, mit Hilfe der Flut entschädigt worden sei, nun an Industriebetriebe und Speditionen verkauft (veräußert, wie die Hamburger sagen, nie sprechen sie vom Verkaufen, nur vom Veräußern), zu überhöhten Preisen. Die Behelfsheime habe man niedergerissen, plattgewalzt, die Behelfsheimbewohner, die Hochwassergeschädigten, wie man sie nunfort nannte, wurden in die neuerrichteten Hochhausgebiete verfrachtet.

Aus einem Gespräch des Altonaer Autors Frank Keil mit seiner Mutter über die Sturmflut von 1962 und ihre Folgen.

Der vollständige Text erschien 1988 in dem Buch „Hamburg, Menschen wie Schiffe“.

Der Autor liest aus diesem Text am 26.5. im Fenster der Buchhandlung 213 in der Großen Bergstraße (ab ca. 17:00) im Rahmen unseres „Warm Up“ für Altona Macht Auf! 2016.

Vom Stadtteil zur Gemeinschaft

´“Was diese ganzen Fragen angeht, Flüchtlinge, Stadtteilentwicklung, da denke ich immer: Was eine Institution werden müßte – damit wir uns mehr als Gemeinde verstehen, als Gemeinschaft, so wie das vielleicht früher mal war, auf dem Dorf – das wäre ein regelmäßiges Zusammenkommen.

Wir müßten uns als Gemeinschaft verstehen, nicht nur irgendwie als Stadtteil, das ist son oberflächlicher Begriff, Stadtteil, der hat ja eigentlich gar nichts, der hat ja nichts mit Menschen zu tun. Stadtteil, da wohnen Menschen, ja, ok, aber dass es wirklich um die Menschen geht, das müßte klar werden, dass es um die Menschen geht, um die Bewohner, um die Gemeinde, die Gemeinschaft, dass man das multikulturelle Miteinander ernst nimmt. Dafür müßten die Menschen aus dem Stadtteil zusammenkommen, und das müßte eine Institution sein, regelmäßig, wo man sich trifft, miteinander diskuttiert. Wo die ganzen kulturellen und auch ethnischen Geschichten aufeinander treffen, und mal zu Wort kommen.

Weil was mir auffällt, ist die Tatsache, dass viele eigentlich nicht wirklich informiert sind, über das, was mit uns Menschen hier so passiert, wo wir herkommen, welche Kultur wir haben, was unsere Religion uns bedeutet, die jeweilige, grade die mit extremen Meinungen, nennen wir sie meinetwegen auch die Extremisten, oder die Radikalen, die kommen ja alle vorwiegend mit oberflächlichen Informationen. Die haben nicht wirklich die Informationen, die man braucht um zu argumentieren, um vernünftig miteinander zu reden.

Wir sind auch belastet mit Vorurteilen, alle, da schließ ich mich auch nicht aus.

Jeder lebt so isoliert, so egoman vor sich hin, das ist ja in unserer Gesellschaft leider Gottes so, da muß man die Bereitschaft wecken, sich an so was zu beteiligen. Da wünsch ich mir, na gut, da ist ja hier in Altona vielleicht etwas mehr Bereitschaft als meinetwegen in Eppendorf oder Winterhude, keine Ahunng, das kann ich jetzt nicht beurteilen.

Weil, hier zu leben heißt ja auch offener zu sein, bereiter zu sein, das Multikulturelle anzunehmen, die Unterschiedlichkeit. Hier gibts ja alle sozialen Schichten, vom Flüchtling bis zum reichen Agenturinhaber, was auch immer, oder Filmemacher oder Künstler, sonstwas, das ist ja das schöne hier an dem Stadtteil, finde ich.

– Aber fragt sich, wie lange hält sich das noch.

– Das, eben, und darum gehts ja da, und eben durch Information, durch Beteiligung, das vielleicht halten zu können.

– Das hat aber auch etwas mit ganz praktischen Sachen zu tun, zum Beispiel Mietpreise.

– Ja, das ist sowieso ein Desaster, was da momentan entsteht, wenn ich mir überlege, dass der da oben für den Quadratmerter, dieser Bruhn, 17 Euro verlangt, das ist schon ein Hammer.

Das ist die klassische Gentrifizierung, dieser Begriff ist ja auch negativ besetzt, aber ich finde, es kann auch eine Gentrifizierung geben, die positiv besetzt ist, sollte es geben. Und das kann es wirklich nur geben, indem man sich eben miteinander austauscht. Und wirklich so eine Institution schafft, und politische Vorraussetzungen schafft, damit es dahingehend gesteuert wird.“

Aus einem Gespräch mit einem Café-Besucher, Große Bergstraße, 4.5. 2016

 

„Man muss diese Angst vor dem sozialen Abstieg ja verstehen. Warum aber kämpfen Menschen lieber dafür, dass Andere weniger bekommen, anstatt mehr für sich selbst einzufordern? Solidarität sollte nicht an einer Kartengrenze enden.“
– Moritz Neumeier

Große Bergstraße, 4. Mai 2016

Lotta, 18 Jahre, hat grade Abitur gemacht, aus Ottensen, und Tobias (kommt später dazu).
– Es wird ja jetzt viel davon geredet, daß es eine Krise wegen Flüchtlingen gibt.
– Davon merke ich nicht so viel, muß ich sagen.Ich verstehe diese ganze Panikmache nicht. Für mich ist es ok, wenn Flüchtlinge aufgenommen werden.- Aber manche Leute finden das scheinbar nicht so ok.
– Das finde ich nicht so ok von den Leuten.- Ist das in deinem Umfeld auch so, dass es da unterschiedliche Meinungen gibt?- In meinem Umfeld sind die alle ziemlich engagiert, in der Flüchtlingshilfe, oder da, wo ich ‘nen Kochkurs gebe, in einer Gemeinde, sind die auch ganz engagiert, also machen was mit den Flüchtlingen, also, in meinem Umfeld ist es nicht so, daß die irgendwie dagegen sind.- Und wie siehst du das für die Zukunft?- Ich hoffe, dass weiterhin Leute toleranter werden und Flüchtlinge akzeptieren und sie aufnehmen.- Und wenn weiterhin sehr viele Flüchtlinge nach Deutschlanmd kommen?- Problem ist natürlich, daß nicht unbedingt viel Wohnraum da ist, da ist natürlich die Frage, wo man alle unterbringt. Grade in Hamburg.(Tobias ist inzwischen dazu gekommen.)- Man hat ja auch versucht, mehr Wohnraum zu bauen, aber das wurde gestoppt, vom Vermieter-Verein. Weil die gesagt haben, nein, weil der Plan war, jetzt kommen Flüchtlinge rein, und in drei, vier Jahren werden die Wohnung normal vermietet, für einen günstigen Preis. Also, es werden günstige, simple Wohnungen gebaut. Aber der Vermieter-Verein hat da irgendeine Gesetzeslücke gefunden, und das verhindert, weil günstige Wohnungen sich für die halt nicht rentieren. Da gehts auch mal wieder um Profit, was das Hauptproblem ist, weil die Leute, die was zu sagen haben, meistens nur auf den Profit aus sind, und Menschen zu helfen ist nicht so profitabel.- Also es müßte viel mehr Wohnungen geben, grade in Hamburg. In den zentralen Stadtteilen.

20. 3. 2016 – Die Krise

– Sie sagen, es gibt keine Flüchtlings-Krise.- Genau. Es gibt Krisen-Flüchtlinge, aber keine Flüchtlings-Krise.

Aus einem Straßeninterview, Große Bergstraße 14.3.2016

– Das schlimmste ist für mich, daß ich dagegen so abstumpfe. Das ist für mich die eigentliche Krise. Man liest: Asylbewerberheim abgebrannt – klickt man schon wieder weg. Weil man es schon tausend mal gelesen hat.

Aus einem Interview mit Friederike, Studentin aus Altona, 20.3.2016

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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